Diese Online-Karte führt zu verschiedenen Orten der jüdischen Geschichte Bad Liebensteins (blaue Punkte) und zu Stätten der Zwangsarbeit während des Nationalsozialismus (rote Punkte). Hintergrundinformationen sowie Bilder und weiterführende Links lassen sich per Klick auf die einzelnen Stationen aufrufen. Die Karte befindet sich noch im Aufbau und wird fortwährend ergänzt. An einigen ausgewählten Stationen sind zudem kurze Audiodateien hinterlegt, die Schülerinnen und Schüler der Regelschule "Altensteiner Oblerland" für einen Audiorundgang konzipiert und eingesprochen haben. Enstanden sind sie bei einem gemeinsamen Projekt mit der Jugendkuntschule in Schweina und dem Wartburgradio.
Spurensuche gegen das Vergessen
An das einst lebendige Wirken und an die Geschichte der jüdischen Einwohner Bad Liebenstein erinnerte im öffentlichen Raum der Kurstadt lange nichts mehr. Die Spuren sind verschwunden und die individuellen Schicksale dem kollektiven Vergessen anheimgefallen. Dabei lebten jüdische Familien vermutlich bereits seit dem 17. Jahrhundert im Altensteiner Oberland, wie die Holocaustüberlebende und ehemalige Bad Liebensteinerin Margot Merin-Liebenstein 1997 in einem Interview berichtete.
In der Nachbargemeinde Barchfeld ist eine jüdische Gemeinde bereits seit dem 16. Jahrhundert nachweisbar und ein jüdischer Friedhof noch heute erhalten. Auch in Bad Liebenstein und Umgebung gab es bis in die 1940er Jahre einen jüdischen Bevölkerungsteil und mit der Synagoge in Barchfeld eine aktive jüdische Religionsgemeinschaft in der Region.
Aus der Gegenwartsperspektive betrachtet, waren die Orte jüdischen Lebens und Wirkens für eine kleine Gemeinde wie Bad Liebenstein einst sehr vielfältig. Es gab u.a. nicht nur mehrere streng koscher geführte Restaurants nebst dazugehöriger Pension, sondern auch mehrere von Mitgliedern der der Familie Liebenstein geführte Geschäfte und einen jüdischen Familienfriedhof an der Bahntrasse zwischen Bad Liebenstein und Steinbach.
Mit der antisemitischen Verfolgungspolitik der Nationalsozialisten wurde auch hier das jüdische Leben nahezu vollständig zerstört. In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 überfielen und verwüsteten SA-Männer auch in Bad Liebenstein die Geschäftsräume und Privatwohnungen von Jüdinnen und Juden, die in der Folgezeit entweder zur Zwangsarbeit, in die Emigration und oder in den Selbstmord gezwungen wurden. Einige fanden in Gefangenschaft einen gewaltsamen Tod.
In Bad Liebenstein und seinen heutigen Ortsteilen Schweina und Steinbach wurden in verschiedenen Betrieben, u.a. in der Kammwollspinnerei und in der Messerproduktion, mehrere Hundert Personen zur Zwangsarbeit genötigt. Neben Kriegsgefangenen verschiedener Nationalität befanden sich unter den Zwangsarbeitern auch Jüdinnen und Juden aus der Region und solche, die aus Osteuropanach Deutschland verschleppt worden waren. Untergebracht waren sie u.a. im „Gemeinschaftslager Wangemannsburg“ in Schweina sowie in betriebseigenen Barackenlagern in Steinbach und Marienthal.
Von den überlebenden jüdischen Einwohnern Bad Liebensteins kehrte nach 1945 kaum jemand länger in die ehemalige Heimat zurück. Die Namen und Lebensgeschichten der einstigen Nachbarn, Mitschüler und Kollegen mit jüdischer Herkunft sind vergessen, eine ganze lokale Kultur, ein ganzer Teil der Bevölkerung ging unwiderruflich verloren. Die Nachfahren leben heute u.a. in den USA oder in Südafrika und konnten sich fernab des Geburts- und Heimatortes ihrer Eltern und Großeltern eine neue Existenz aufbauen. Im September 1996 verstarb mit Adele Schiffman die vermutlich letzte jüdische Einwohnerin Bad Liebensteins, die nach einer langen Odyssee der politischen Verfolgung 1960 nach Bad Liebenstein kam und dort bis zu ihrer Rente als Heim- und Sanatoriumsleiterin aktiv war.
Das Themenjahr unter dem Motto „Neun Jahrhunderte Jüdisches Leben in Thüringen‟ wollen wir zum Anlass nehmen, um mit dem Projekt „Jüdisches Leben in Bad Liebenstein – Eine Spurensuche‟ an die ehemaligen jüdischen Bürger und Bürgerinnen Bad Liebensteins, ihr Wirken und ihr Schicksal zu erinnern. Wir wollen die Orte der jüdischen Geschichte wieder wahrnehmbar machen und gerade jungen Menschen die Möglichkeit geben, einen vergessen Teil der lokalen Geschichte zu erkunden.
Weiter Informationen finden Sie hier:
Natur- und Heimatfreunde Bad Liebenstein e.V. //
Geschichtswerkstatt Bad Liebenstein
Idee und Erstellung: Tim Zeidler und Dirk F. Fordtran; Recherche: Wolfgang Malek